Es herrschen verschärfte Bedingungen beim Auftritt von Christoph Danne auf dem „Nimm Platz“-Lesefest. Es sind nicht die Cosplayer der Gamescom, die den Kölner Neumarkt queren und mit ihrer Kostümierung viele Blicke auf sich ziehen. Auch der Bettler, der sich stimmkräftig durch die Stuhlreihen bewegt, bemerkt schnell, dass er seine Sache auf ungünstigem Terrain betreibt. Vielmehr ist es eine Erkältung, die Christoph Danne plagt. (...) Gleichwohl meistert er diese Unpässlichkeit hervorragend. Nicht einmal den Halsbonbon, den ihm eine fürsorgliche Zuhörerin nach 20 Minuten auf den Tisch legt, nimmt er in Anspruch. (...) Christoph Danne ist gerne unterwegs. Nicht nur im Kopf, sondern auch in der Welt. "Von Belfast bis nach Athen" hat er seine Lyrik-Lesung überschrieben. Er schätze Hotels, sagt er, also das Leben in den Transiträumen. Die zufälligen Begegnungen, die Abwesenheit von Zimmerpflanzen, das Unpersönliche, die umfassende Betreuung („Dial 0 for Anything“) – all das sage ihm zu. Nach einem Aufenthalt in einem Hotelzimmer nehme er „mehr“ mit als er beim Einzug dabeigehabt habe. Und damit sei nicht die geklaute Seife aus dem Bad gemeint. Vielmehr sei es so wie mit dem Sand vom Strand, den man in den Schuhen nachhause trage. Auf welche Weise er sich bereichert fühlt, führt er anhand einiger neuer Gedichte vor. Sie erscheinen vermutlich im kommenden Jahr. Aber schon jetzt gibt es im Gelben Pavillon Kostproben dieser lyrischen Beobachtungen „kreuz und quer von unterwegs“. Viel Zeit, dem "Rost beim Wandern auf den Heizungsrippen" zuzuschauen, wie es einmal heißt, bleibt da nicht. Aber für farbige, meist erfrischend plastische Beobachtungen reicht es immerzu. Alle diese neuen Gedichte tragen einen Hotelnamen. Da folgt Christoph Danne einer persönlichen Schreiberfahrung: „Ich kann gut arbeiten“, antwortet er auf die Frage eines Kollegen im Publikum, „wenn ich ein Tableau habe.“ Also ein Konzept, eine Leitlinie. Darüber verfügt er auch bei einem weiteren Projekt, das er an diesem Spätnachmittag vorstellt. Da geht es um die Linie 1 der Kölner Verkehrsbetriebe. Es ist die älteste und längste Straßenbahnverbindung der Stadt. Alle 37 Haltestellen von Weiden West bis Bensberg beziehungsweise umgekehrt, will er mit je einem literarischen Text würdigen. Das Ergebnis soll formal und inhaltlich so offen und heterogen sein, wie die KVB selbst es ist. Die Auszüge klingen verheißungsvoll und vertraut: „Manchmal dieser Stillstand auf offener Strecke.“ Allerdings handelt es sich bei diesem Vorhaben um eine Herausforderung, wie Christoph Danne sagt: „Das schlaucht mich wie weniges zuvor – ich bin froh, wenn es vorbei ist.“ Ein Lyriker auf Reisen – hinaus in die Welt, hinein ins Ich. Dem Publikum sagt die Lesung fraglos zu. Allerdings gibt die kleine Tochter in der ersten Reihe den Takt vor. Und die möchte mit den Eltern weiterziehen. Das Manuskriptblatt, das ihr vom Lesepult gereicht wurde, ist längst vollgemalt. So merkt sie sich den Hinweis, dass noch drei Gedichte zu lesen seien. Kaum ist das erste abgeschlossen, lässt die Tochter wissen: „Noch zwei.“ So ist es. Und dabei bleibt es. Beifall auf allen Seiten.
Katalonien ist der Schauplatz der Gedichte in dem Band „Firnis & Revolte“. Die Provinz Spaniens, (...) liefert für den Kölner Lyriker Christoph Danne das Bildreservoir seiner knappen, unprätentiösen Gedichte. Mit dem Begriff Firnis bezeichnet man einen klaren Anstrich, der aus gelösten Bindemitteln besteht. Häufig überzieht man Gemälde mit einem Firnisanstrich, um ihnen Farbbrillanz und -beständigkeit zu verleihen. Indem Christoph Danne diesen Begriff in den Titel seines jüngsten Gedichtbandes aufnimmt, verweist er auf das augenblicks- oder situationskonservierende Moment der Dichtung. (...) Zum Gedicht "Weißes Papier: Man hat das Szenario sofort vor Augen, es ist ein vertrautes: Die Hotelterrasse, der Angler, der wie versteinert auf einen Fang wartet. Und der Dichter wartet auf das Gedicht. Die Wörter haben „angebissen“. Ein Gedicht ist tatsächlich zu Papier gebracht. Ob der Angler einen Fang gemacht hat, bleibt dagegen offen. Das beobachtende Ich weiß es zwar, die Formulierung „was nicht geschehen ist“, legt nahe, dass der Angler leer ausgegangen ist, während sein Beobachter lyrische Beute gemacht hat. Doch gewiss ist es nicht, und das macht den feinen Reiz dieses Gedichts aus. „Firnis & Revolte“ enthält eine ganze Reihe lyrischer Ansichtskarten, die in ihrer Verbindung von Titel und einer Ortsbezeichnung, ganz konzentriert auf das Angeschaute Bezug nehmen und in ihrer Lakonie auch in der Tradition der Lyrik von Günter Eich und Ilse Aichinger stehen. (...) Geschickt bringen diese melancholischen Gedichte Firnis auf die katalanischen Wahrnehmungsmomente.
Christoph Danne - eine spannende und preisgekrönte Stimme der deutschsprachigen Gegenwartslyrik.
„Wer Lyrik schreibt, ist verrückt.“ Mit diesen Worten in Anlehnung an Peter Rühmkorf eröffnete Sabine Küchler den Abend, und obwohl sie die Aussage augenzwinkernd einleitete, schien in ihr eine Art Ernsthaftigkeit mitzuschwingen, die sich wie ein roter Faden durch die folgenden knapp zwei Stunden zog. Wolfgang Schiffer, Nasima Sophia Razizadeh und Christoph Danne saßen nebeneinander auf der Bühne, drei Protagonisten, deren Worte sich an diesem Abend zu einem feinen Geflecht aus Reflexion, Melancholie und Widerstand verbanden. (...) Christoph Danne begann den Abend mit Texten aus seinem Band Firnis & Revolte. Seine Gedichte schienen wie auf einer dünnen Glasur zu balancieren, einer Oberfläche, die konserviert und zugleich das Dahinterliegende spürbar macht. Schiffer griff dies auf, als er fragte, ob der Begriff „Firnis“ nicht im Widerspruch zu dem stehe, was Danne in seinen Texten sonst aufbrechen wolle. Danne antwortete, dass genau diese Spannung den Kern seines Schaffens ausmache. „Der Firnis ist das, was bewahrt, aber die Revolte darunter lässt sich nicht dauerhaft bändigen.“ Er sprach von Orten seiner Kindheit, von Katalonien und den Sommern, die sich wie Ewigkeit anfühlten, ohne je wirklich greifbar zu sein. „Man setzt sich diesen Orten aus,“ sagte er, „und sie kehren zurück, oft in Momenten, in denen man es am wenigsten erwartet.“ Seine Gedichte, so Küchler, wirkten wie Selbstgespräche, lakonisch und voller unaufgeregter Melancholie. Danne selbst beschrieb sie als ein Labyrinth: „Man weiß nie, wo man hinein- oder hinausgerät.“ (...) Die drei Autoren boten keine Lösungen, keine einfachen Antworten. Doch in den Texten lag eine Einladung, die Welt anders zu sehen, sie neu zu denken. Vielleicht war das der eigentliche Triumph des Abends: die leise Beharrlichkeit der Worte, die lange nachhallten, als das Licht auf der Bühne längst erloschen war.
Marcel Beyer ist Herausgeber des in Kürze erscheinenden Bandes der späten Mayröcker-Gedichte. Die Neuerscheinung (...) stellte er nun im Rahmen des ANDERLAND-Festivals im ausverkauften Sprachraum der Kölner Stadtbibliothek vor. Diese zweitägige poetische Intervention, die von den Buchhändlern Klaus Bittner und Christoph Danne initiiert wurde, fand bereits zum vierten Mal statt. (...) Ein reicher und packender Abend war das.
Märchenhaft und erdig zugleich (...). Wunder. Alltag. Handwerk. Schreiben. Christoph Danne holt seine Gedichte planvoll und auf den richtigen Moment hoffend zugleich ein wie der Angler, dem er zusieht. Nah sind die Texte, nah an der Welt, in der sie entstanden sind, sind wie ein fester Händedruck, warm und ehrlich, und zugleich flüchtig wie ein „wimpernschlag“.
Einer der feinfühligsten und zartesten Texte, die ich jemals gelesen habe. (...) Er schreibt an gegen diese innere Leere, (...) schreibt hin gen Leben und feiert dieses dadurch auf eine einzigartige Weise.
Fantastisch schön - wenn ich solche Bücher in der Hand halte, betrachte und lese, werde ich von Glück übermannt.
Danne bezeichnet sein Leben als Steinbruch für Gedichte - bei den Fragen und Anmerkungen, zu denen die Moderatorin nach der Lesung das Publikum ermutigt, kommt die wohl einhellige Meinung: „Wundervoll gelesen. Es war ein Genuss.“ Und ein inspirierender Abend dazu.
Die mit Abstand schönste lyrische Liebeserklärung eines Vaters an sein ungeborenes Kind.