Plankton | Journal 2025

19. Januar | Bett

Bleierne Müdigkeit und Unruhe, will keine Nachrichten, keine Lektüre, kein Gespräch; es braucht schließlich ein schnarchendes Kleinkind neben mir, um meinen Atem runterzupegeln.

 

18. Januar | Buchhandlung

Habe länger in einer kürzlich erschienenen Gedichtsammlung von Alda Merini gelesen, fand kaum Zugang zu den Texten, das meiste blieb mir fremd und die Sprache scheint schlecht gealtert; immerhin dies gefiel mir sehr: (…) Ich bin grausam, ich weiß es, / doch dies ist der Dichter-Jargon: / ein langes, glühendes Schweigen / nach einem noch längeren Kuss.

 

17. Januar | Copenhagen Coffee Lab

Moderne Fußballwelt: der Falkner, der im Olympiastadion vor Heimspielen von Lazio Rom einen Adler kreisen lässt, wird entlassen, weil er auf Facebook über die gewonnene Lebensqualität durch eine Penisprothese berichtete; als er früher in der Kurve mit römischem Gruß Benito Mussolini huldigte, stellte dies für seinen Arbeitgeber hingegen keinen Kündigungsgrund dar.

 

16. Januar | Sofa

David Lynch ist gestorben und man nimmt es zur Kenntnis, eine abstrakte Meldung am Ende der Tagesthemen, gleichmütig und dankbar, voller Zuneigung im Wissen um seine Unsterblichkeit.

 

15. Januar | Museum Ludwig

Ich gehe bei jenen Gemälden, die ich mir immer wieder anschaue, ganz, ganz dicht an die Leinwand, bis ich die einzelnen Fasern, Pinsellinien, die Texturen erkenne; so sehe ich Pollock, Dix, Yves Klein und Warhol eigentlich nur im Detail, im Ausschnitt, auf wenigen Quadratzentimetern; nicht, um ihnen auf die Schliche zu kommen, einfach nur, um ihnen so nah wie möglich zu sein, sie fast zu riechen, zu berühren.

 

14. Januar | Küche

Oliviero Toscani, der einzige Modefotograf, der mich jemals interessierte, war gar keiner. 

 

13. Januar | Café Italia

Forscher in Oxfordshire haben kürzlich Fußabdrücke von Dinosauriern entdeckt, ungefähr 160 Millionen Jahre alt, was da alles an Wind, Wetter, Katastrophen drüber gefegt ist und nun pinseln sie so akribisch-vorsichtig um die Abdrücke, als kämen sie von der Spurensicherung eines Vorabendkrimis.

 

12. Januar | Sofa

Der kleine Pip in der Dickens-Verfilmung schaut – aus Furcht, als Pastetendieb entlarvt zu werden – so ertappt und aufgeregt spitzbübisch aus der Wäsche wie Hugh Grant über hundert Jahre später auf den Mug Shots des L.A. Police Departement, nachdem er Liz Hurley mit einer Prostituierten betrogen hatte.

 

11. Januar | Bastian’s

Seit Tagen wird mir rund um die Uhr die neue EDEKA-Payback-Kampagne in sämtliche Timelines gespült: Ich sehe mir zehnmal hintereinander an, wie eine hinreißende Angestellte drei blaue Bälle jongliert, aus dem Takt gerät, zwei fallen lässt, wie sie in die Kamera lächelt, wie sie lacht. Jetzt liebe ich sie, möchte wissen, wer das ist und mit ihr nach Peru ziehen.

 

10. Januar | Linie 15

Ausnahmsweise KVB, Kurzstrecke. Ich schwanke zwischen Verachtung und Zärtlichkeit; morgen wieder Fahrrad.

 

09. Januar | Küche

Gesammelte Substantive aus der ersten Alf-Folge von 1986: Alf (9x), All, Asteroid, Außerirdischer (2), Behörde, Besuch, Bier (3), Erde, Ersatzteil, E.T., Falle, Familie, Fledermaus, Freund (3), Freundschaft, Gammastrahl, Gekreische, Gott, Haus, Herde, Herz, Himmel, Hoffnung, Hunger, Infrarotfunkband, Katze / Kater (9), Katzenfutter (2), Kind, Konstruktion, Kontakt, Kontrolle (2), Kosmos, Labor, Leben, Licht (2), Lichtjahr (2), Limonade (3), Melmac (5), Null Problemo (7), Ordnung, Pyjamaparty, Planet (4), Raumschiff (4), Satellit, Schraubenschlüssel (6), Sesamstraße, Signal, Sprache, Stern, Telefon, Teleskop, Trick, Verbindung, Vorbild, Weltraum (2), Wesen (2), Wirklichkeit.

 

08. Januar | Buchhandlung

Beim Blättern in den Verlagsvorschauen fürs Frühjahr wird mir schwindelig in Anbetracht der Masse an Büchern, die ich nicht lesen möchte.

 

07. Januar | Kölnisches Stadtmuseum

Durch die Gänge schlendern, Römer, Nazis, Karneval, kein geeignetes Motiv für Instagram finden – ist man dann überhaupt da gewesen? – und sich beim Verlassen vornehmen, es aber wenigstens im Journal zu erwähnen.

 

06. Januar | Zuhause

Lichter, Engel, Sterne und Kugeln kommen in die Kiste, die Tanne fliegt zwei Stockwerke aus dem Fenster, zerspringt krachend auf dem Asphalt und dann ist fast schon Kindergeburtstag, fast schon Karneval. 

 

05. Januar | Sofa

Jedes Mal, wenn ich einen französischen Film sehe, gerade Truffauts Tisch und Bett, möchte ich rausgehen und mir einen Anzug kaufen und eine Packung Gitanes.

 

04. Januar | Küche

Ich lese in den Aufzeichnungen von der Reise nach Brüssel, finde darunter eine Auflistung der Nagelstudios, die sich in der Galerie du Centre nahe unserer Unterkunft aufreihten: Saigon Nails, New York Nails, Kims Nails, Bruxelles Nails, King Nails, Queen Nail, Euro Nails, Nail City, Paris Nails, Shenail, Nails 68, Tokyo Nails, Mango Nails, Top Nails, Oh La La. Ich habe nichts hinzugefügt, nichts ausgedacht.

 

03. Januar | Café Schmitz

Lese allerorten begeisterte Kritiken über einen ziemlich misslungenen Film, den ich nur wegen Charly Hübner bis zum Ende geschaut habe; frage mich schon lange nicht mehr, ob mit mir oder dem Rest etwas nicht stimmt.

 

02. Januar | Kölner Zoo

Die Flamingos standen direkt am Rand des Geheges – wie ruppig sie sich anrempelten und wie sie müffelten nach abgestandener Nässe; die alte Story von der Nähe und der Illusion, wie beim Anstieg auf Sacré-Cœur, ihrem überbordenden Kitsch.

 

01. Januar | Sofa

Gestern Abend las ich in Thomas Sparrs Zauberberg-Buch über Castorps Liebeleien, befürchtete schon Alpträume von ausgeliehenen Bleistiften, bis ich in die ARD-Silvester-Schlagerparty zappte.